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Liebe Roboter-Robbe

Wie künstliche Wesen entstehen und das Leben bereichern steht in Ipke Wachsmuths Buch

Als Professor Ipke Wachsmuth bei einem Forschertreffen Robbenbaby-Roboter Paro, einem lernenden Computer in Kuscheltierform, auf den Arm nimmt, blickt dieser ihn freundlich an. | © FOTO: PRIVAT

Als Professor Ipke Wachsmuth bei einem Forschertreffen Robbenbaby-Roboter Paro, einem lernenden Computer in Kuscheltierform, auf den Arm nimmt, blickt dieser ihn freundlich an. | © FOTO: PRIVAT

01.11.2012 | 01.11.2012, 00:00

Bielefeld. Robbenbaby Paro hat schon manches Herz erweicht. Das kuschelige, weiße Wesen kann so niedlich gucken; als ob es Gefühle hätte. Aber Paro hat keine Gefühle. Der kleine Japaner ist ein Roboter. Dafür kann Paro Gefühle erzeugen. Ipke Wachsmuth hat das erlebt in Altenheimen – und auf seinem eigenen Arm, als sich der niedliche Paro ihm zuwandte wie ein Lebewesen. Über Gefühle und Gespräche mit Robotern hat der Professor der Universität Bielefeld ein unterhaltsames und tiefgründiges Buch geschrieben.

Wachsmuth ist Experte in Sachen Kommunikation mit Maschinen. Er ist der Vater – er sagt "der Großvater" – von Max, dem virtuellen Museumsführer im Heinz-Nixdorf-Museums-Forum Paderborn und Uni-Forschungs-Objekt der Technischen Fakultät.
Max wurde 1999 konstruiert, Wachsmuth sagt "geboren". Der Forscher hat erlebt, dass Max mitunter "eine Form von Persönlichkeit" zugesprochen wird. "Es gibt Leute, die erkundigen sich nach ihm oder lassen ihn grüßen." Das klingt verrückt, aber es drückt aus, warum der Professor für Künstliche Intelligenz seine Meinung über Maschinen total geändert hat. "1990 habe ich mich vehement gegen Roboter in Altenheimen ausgesprochen", erzählt er. Später hat er beobachtet, was künstliche Wesen bewirken können. Wie die liebe Roboter-Robbe Paro. "Alte Menschen mit Demenz, die sonst kaum noch Kontakt aufnahmen mit anderen, reagierten auf das Robbenbaby. Danach waren sie häufiger im Austausch mit den Pflegern." Für Wachsmuth ist klar: Roboter können nützlich sein "für einen Teil der Menschen".
Der 62-Jährige erforscht schon ewig die Kommunikation zwischen Menschen, zwischen Tieren, zwischen Tieren und Menschen. Daraus zieht er Schlüsse. Die Erkenntnisse nutzt er für die künstliche Intelligenz. Max zum Beispiel hat bis jetzt über 1.200 Regeln menschlichen Austauschs in seinem Repertoire einprogrammiert bekommen. Deshalb ist er nie um eine kluge Antwort verlegen. Er agiert "nicht als Mensch, sondern wie ein Mensch", erklärt Wachsmuth. Dieser Unterscheidung ist ihm wichtig, weil viele Angst haben vor Maschinen. Sie fürchten, dass sie die Menschen irgendwann ersetzen.
Wachsmuth denkt das nicht. Für ihn sind Roboter eine nützliche Ergänzung, die sogar Menschlichkeit wecken können – wie bei Paro im Altenheim geschehen und gesehen. Oder wie bei Tests mit Menschen, die am Asperger-Syndrom leiden; das ist eine Art Autismus. Diesen Menschen fiel es leichter, mit den intelligenten Robotern Kontakt aufzunehmen als mit ihresgleichen. "Die Maschinen nehmen uns nichts weg", sagt Wachsmuth. Sie geben etwas.
Die Angst davor kann er dennoch verstehen. Auch deswegen hat er das populärwissenschaftliche Buch geschrieben. "Ich erkläre darin, wie künstliche Intelligenz überhaupt entsteht. Aber es ist frei von Fachausdrücken."
Um Wesen wie Max oder Paro zu erschaffen, muss verstanden werden, wie Kommunikation funktioniert. Wachsmuth nutzt dafür Forschungsmaterial über Affen, menschliche Zeichensprache, Körpersprache, Augenbewegungen, Geschichten von Freunden mit Hunden und eigene Erfahrungen mit den Katzen zuhause. Davon erzählt er.
Das Wissen fließt vom intelligenten Menschen Wachsmuth in die intelligenten künstlichen Systeme wie zum Beispiel Max. Heraus kommen nützliche Wesen, die "gefühlsanaloge Bewertungen zeigen", wie es ein Philosoph dem Forscher gegenüber gefühlsneutral ausgedrückt hat.
     

Information

Gierige Möwen und Hightec 2030     


Das Sachbuch "Menschen, Tiere und Max" ist im Verlag "Springer Spektrum" erschienen;
Darin geht es um natürliche Kommunikation und künstliche Intelligenz;  Das Buch hat etwa 210 Seiten, kostet 19,95 Euro und ist im Buchhandel erhältlich; Die erste Auflage beträgt 4.000 Stück,
Autor Ipke Wachsmuth, Professor für Wissensbasierte Systeme und Künstliche Intelligenz an der Universität Bielefeld, mischt darin harte Informationen mit persönlichem Blickwinkel; Er schlägt Bögen von der gierigen Möwe auf Norderney, wo das Buch hauptsächlich entstanden ist, bis zur Hightec-Zukunft im Jahr 2030; Zielgruppe sind interessierte Laien.