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Die Roboter-Robbe öffnet so manches Herz

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Sylvia Weber reicht Meta Wickert die Robbe Paro.
Sylvia Weber reicht Meta Wickert die Robbe Paro. © Holger Menzel

Es sieht aus wie ein Robbenbaby, doch es ist nur Technik. Trotzdem kann Paro demente Menschen aus ihrer Verschlossenheit heraushelfen.

Für Meta Wickert (83) ist Paro quasi ein Mitbewohner. Das Robbenbaby mit dem flauschige Fell und den großen Augen reagiert auf Liebkosungen. Es fiept, bewegt sich ein wenig, es wird müde und schnurrt leise, wenn es gestreichelt wird. Meta Wickert, Bewohnerin des Johanna-Kirchner-Altenhilfezentrums, erinnert sich: „Als ich ein Mädchen war, hatten wir einen Hund, einen Rehpinscher.“ Sie streichelt die Robbe, die auf ihrem Schoß liegt.

Das Robbenbaby ist ein Roboter. Vollgestopft mit Technik, weckt er Gefühle bei Senioren, bei Dementen und sogar bei Wachkomapatienten. Sie sind jedoch ganz unterschiedlich: „Manche Bewohner, besonders dementiell Erkrankte, haben fast ein wenig Angst. Sie trauen Paro nicht. Andere, gerade wenn sie noch orientiert sind, adoptieren Paro sofort“, sagt Alexander Gerhardt, stellvertretender Leiter der sozialen Betreuung im Altenzentrum. „Wir sagen den Bewohnern immer, dass es ein Roboter ist und eben kein wirkliches Tier“, ergänzt seine Kollegin Sylvia Weber.

Betreuung ist wichtig

Dennoch bringt Paro die Bewohner zum Staunen, zum Lächeln, zum Sprechen und zum sich Erinnern. Es ist eine Anregung, fast so gut wie ein wirkliches Tier. Für Patienten, die bettlägerig sind, ist Paro hygienischer Ersatz für ein Tier.

Alexander Gerhardt betont: „Paro alleine ist es nicht.“ Er muss von den Betreuern sinnvoll und adäquat eingesetzt werden, und manchmal gebe es auch Tage, da hat niemand Lust auf das Kunsttier.

Im Johanna-Kirchner-Altenhilfezentrum ist Paro schon seit mehreren Jahren im Einsatz, ein altgedienter Mitarbeiter gewissermaßen. Eingeführt wurde er auf Anregung von Prof. Barbara Klein. Die Wissenschaftlerin im Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Frankfurt University of Applied Sciences (UAS, vorher Fachhochschule) ist in Deutschland eine der Spezialistinnen für den emotionalen Roboter. Sie lernte die Robbe auf einer Studienreise in Japan kennen. „Die UAS hat damals relativ schnell das Geld für das erste eigene Exemplar bewilligt“, sagt Prof. Klein. Seit Ende 2008 ist die Arbeit mit Paro Gegenstand der Forschung an der UAS. Drei Exemplare gibt es inzwischen am Fachbereich, und mindestens zwei Häuser in Frankfurt setzen Paro ein: Das Johanna-Kirchner-Altenhilfezentrum und das August-Stunz-Zentrum. Dort wird Paro bei der Arbeit mit Wachkoma-Patienten eingesetzt. „Studenten haben vier Wachkomapatienten über mehrere Monate hinweg immer wieder begleitet, wenn sie in Kontakt mit Paro kamen“, sagt Barbara Klein. Die Beobachtungsdaten werden zurzeit noch ausgewertet. Doch auch die Wachkomapatienten haben auf die Robbe reagiert.

Die Forschung läuft

Auch in der Behandlung autistischer Kinder sei die Robbe ein mögliches therapeutisches Hilfsmittel, sagt Prof. Klein. Sie ist überzeugt von dem Roboter: „Patienten, die sonst auf nichts reagieren, beginnen zu lächeln und streicheln Paro“, sagt sie. Allerdings sei dies nicht nur mit einer Roboter-Robbe zu erreichen. Ein wirkliches Tier oder enger Kontakt zu einem Menschen könne das Gleiche bewirken.

Studenten der UAS und der Goethe-Universität haben Pflegekräfte befragt, wie deren Schützlinge auf Paro reagieren und ob der Roboter eine Hilfe ist. Die Erfahrungen der Pfleger sind durchweg gut. Demenzkrankte kommen mit Paro im Arm leichter aus ihrer Verschlossenheit heraus ist eine häufige Antwort. „Derzeit gibt es in Europa zehn bis 15 Untersuchungen zu Paro, in den USA, in Australien und Asien einige weitere“, erläutert Barbara Klein den Forschungsstand. Mit ihrer Beteiligung sind alleine zwei dieser Studien zustande gekommen.

Derzeit, schätzt die Forscherin, sind bundesweit rund 100 der Robben im Einsatz. Die Kosten von rund 5000 Euro werden noch nicht von den Kassen übernommen. Jede neue Generation von Paro hat mehr Fähigkeiten, auf Menschen zu reagieren. Kritikern, die den Einsatz „emotionaler Roboter“ unmenschlich finden, antwortet Barbara Klein, deren Sinn sei ja nicht, den Kontakt zu Menschen oder richtigen Tieren zu ersetzen. Roboterrobbe Paro kann manchmal einfach ein Schlüssel sein, mit dem sich eine bislang geschlossene Tür öffnen lässt.

Am 30. November von 14 bis 17 Uhr können Besucher Roboter wie Paro live erleben. UAS (University of Applied Sciences), Nibelungenplatz 1, Haus 2, Raum 044, Ausstellung „Barrierefreies Wohnen und Leben“

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